"FEINDBILDER" ALS HINDERUNGSGRUND FÜR DIE MEDIATIONSBEREITSCHAFT?

– Mediationsbereitschaft durch Erkenntnisgewinn –

Ein Beitrag von:
Dr. Ursula Grooterhorst, Rechtsanwältin, Mediatorin und Coach

Einseitige Mediationsbereitschaft

Die Bereitschaft im Falle eines Konfliktes ein Mediationsverfahren durchzuführen, ist immer noch ein schwieriges Thema. Obwohl Umfragen ergeben, dass ein außergerichtliches Konfliktlösungsverfahren wie die Mediation im allgemeinen als vorzugswürdiger betrachtet wird, weil es vernünftiger, menschlicher, kostengünstiger, zeitsparender, zielführender ist, liegt im Streitfall häufig eine Bereitschaft zur Mediation nur auf der Seite einer Konfliktpartei vor.

Mediationsklauseln

Abgemildert wird diese Tatsache dadurch, dass bei Vertragsabschluss – zumindest von langfristigen Verträgen – Mediationsklauseln in den Vertrag aufgenommen werden. Dann braucht im Konfliktfall zwischen den Konfliktparteien nicht erst die Mediationsbereitschaft hergestellt zu werden. Die Parteien verpflichten sich schon mit Abschluss eines Vertrages, einem evtl. Klageverfahren ein Mediationsverfahren voranzustellen. Eine dennoch vor Inanspruchnahme der Mediation erhobene Klage würde auf Einrede der gegnerischen Partei als unzulässig abgewiesen werden (s. Mandantenbrief 4/2013).

Beweggründe für Mediationsklauseln

Vor Vereinbarung einer Mediationsklausel machen die Parteien sich in einem konfliktfreien Zustand klar, dass sie nicht konfrontativ gegeneinander vorgehen wollen. Beweggrund hierfür ist in der Regel, dass die Parteien eine Zusammenarbeit starten, die gewünscht ist und von beiden Seiten als erstrebenswert und gewinnbringend angesehen wird. Die Vertragspartner schätzen sich. Dass das Erreichen eines gemeinsamen Vertragsziels von den Vertragsparteien einst für gut befunden worden ist, wird meist auch rückblickend trotz eines späteren Konflikts nicht in Frage gestellt. Erst veränderte Umstände und Verhaltensweisen, die zumindest nach Ansicht einer Partei von der ursprünglichen Vertragsgrundlage abweichen, bieten die Konfliktgrundlage.

Streitige Auseinandersetzung als vermeintlich logische Schlussfolgerung eines Konflikts

Ab diesem Zeitpunkt wird in den Köpfen der Vertragsparteien eine Argumentationskette in Gang gesetzt, die vermeintlich logisch ist:

Die Parteien wollten einst ein gemeinsames Ziel erreichen. Nun haben die Tatsachen ihrer Ansicht nach zwischenzeitlich gezeigt, dass eine friedliche vertragsgemäße Zusammenarbeit nicht möglich sei. Daraus schließen sie, dass auch der Konflikt nicht friedlich gelöst werden könne, sondern nur streitig. Den Beweis dafür liefere gerade die Tatsache, dass der Vertrag passend zur neuen Lebenssituation nicht mehr eingehalten werde.

Dieser Gedankengang ist nicht logisch, da er den einstigen Ausgangspunkt, z.B. die Zusammenarbeit erfolgreich gemeinsam zu gestalten, aus dem Blick verloren hat. Die langfristige vertragliche Beziehung war zukunftsgetragen, sonst wäre der Vertrag gar nicht zustande gekommen.

Feindbilder als Hinderungsgrund für eine unstreitige Konfliktlösung

Was ist es also, das die Konfliktparteien daran hindert, trotz veränderter Tatsachen zusammen den Konflikt weiterhin auf die Zukunft vertrauend gemeinsam und ohne Rechtsstreit zu lösen?

Dazu muss man die Mechanismen beim Ablauf von Konflikten unter die Lupe nehmen. Während eines Konflikts werden archaische Bilder, sog. Feindbilder, wachgerufen. Ursache dafür ist, dass eine Vertragspartei das Verhalten der anderen nicht verstehen kann. Sie versucht, eine Erklärung dafür zu finden, und konstruiert dabei häufig ein Bild vom anderen, mit dem dieser negativ-feindlich beschrieben wird. Dabei ist sie sich nicht bewusst, dass sie mit ihrer Art der Beschreibung in die Wirklichkeit des anderen eingreift und sie gleichzeitig verändert.

Grund für ein solches Verhalten ist häufig ein verletztes Gerechtigkeitsempfinden, das Gefühle der Enttäuschung, der Hilflosigkeit, der Empörung etc. hervorruft. Dadurch ist der Verletzte nicht länger in der Lage, differenziert und nuanciert zu denken, sondern seine Emotionen verleiten ihn, die Welt nur in Gut und Böse zu unterteilen. Nach seiner Ansicht muss er Aufstellung nehmen, um das Böse mit viel Energie zu bekämpfen.

Dabei kommt hinzu, dass er durch die Schaffung eines Feindbildes seine Wahrnehmung verzerrt. Es wird nur noch der andere allein für das Geschehen verantwortlich gemacht, ein eigener Anteil wird überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Diese einseitige Sichtweise führt zu der Behauptung beider Parteien, dass der andere Schuld sei und die Partei selbst gerechtfertigter weise reagiere. Hierdurch werden Fühlen, Denken und Verhalten langsam verrückt. Aufgrund dessen kann auch ein etwaiges Kommunikationsangebot des anderen nicht mehr als freundlich empfunden werden. Das entstandene Misstrauen verbietet es, vom anderen positiv zu denken. Momente von Versöhnungsbereitschaft und vorsichtiger Annäherung können nicht mehr erkannt werden. Die dadurch hervorgerufene Kränkung auf der anderen Seite heizt den Konflikt wieder an. Das bedeutet also, dass Schuldzuschreibungen an den anderen zu Konflikten führen und dass die damit einhergehende feindliche Wahrnehmung des anderen die Beendigung des Konflikts verhindert.

Mit der Zeit wird dann alles Handeln im Rahmen der Beziehung unter dem Aspekt des Konflikts gesehen und das eingeübte Verhaltensmuster wird zum Gefängnis. Die Zerrüttung der Vertragsbeziehung zeigt sich zunächst in hemmungsloser gegenseitiger Kritik und in einer Leugnung eigener Anteile am Konflikt. Dem folgt die Verachtung des anderen und letztlich das Schweigen des anderen, das das Ende der Beziehung bedeutet.

Wenn dieser Mechanismus nicht erkannt und durchbrochen wird, erfasst ein zunächst sachlicher Beziehungskonflikt auch das Persönliche. Es entwickelt sich zunehmend das Denken, dass der Konflikt nur ein Ergebnis zulasse, dass es nur einen Gewinner geben könne.

Erkenntnisgewinn aufgrund von Wissen

Da wir evolutionsgeschichtlich auf einer hohen Entwicklungsstufe stehen, sind wir zur Erkenntnis fähig. Unser Erkenntnisgewinn könnte darin bestehen, zu wissen,

  • wie Feindbilder entstehen und was sie im Innern des Menschen verursachen.(s.o.)
  • dass die Menschen und somit auch ihre Vertragsbeziehungen dynamisch sind, d. h., dass sie sich aufgrund unterschiedlicher Charaktere/Lebenswege/Auffassungen der Vertragsparteien auch gegenläufig entwickeln können. Arist von Schlippe empfiehlt hierzu, eine "tragische Weltsicht" einzunehmen (KonfliktDynamik, 2013, S. 212 ff.). Ich möchte es eher als eine "realistische Weltsicht" bezeichnen, die weiß, dass wir in unseren Beziehungen miteinander verbunden sind und Reibungen aufgrund unserer Unterschiedlichkeit etwas Selbstverständliches und sogar ein unausweichlicher Teil unseres Lebens sind. Dazu gehört auch das Bewusstsein, dass man andere Menschen nicht verändern kann, sondern nur sich selbst. Nur wenn die Dynamik von Beziehungen akzeptiert wird, erstarren sie nicht und können sich weiterentwickeln.
  • dass Feindbilder eine Zusammenarbeit unmöglich machen und dass die Dynamik von Vertragsbeziehungen zu einer realistischen Weltsicht gehört und dass daraus folgend eine gute Zusammenarbeit impliziert, dass Konsense geschlossen werden müssen.

Mediationsbereitschaft durch Erkenntnisgewinn

Wenn Konfliktparteien also wissen, was Feindbilder bewirken, und wenn man eine realistische Sicht der Welt einnimmt, können sie aufgrund dieses Erkenntnisgewinns Abschied von der Möglichkeit nehmen, bei Konflikten sofort den Klageweg zu beschreiten. Nicht der Kampf gegeneinander, sondern die Vertragsbeziehung steht im Vordergrund. Eine Mediation bietet den Parteien die Möglichkeit, den Konfliktfall nicht wie im Gerichtsverfahren nur unter dem Gesichtspunkt einer Vertragsverletzung zu betrachten, sondern alle Umstände in den Blick zu nehmen, die die Vertragsbeziehung wieder erfolgreich in Gang setzen können, wobei deren zwischenzeitliche positive und auch negative Weiterentwicklung einbezogen wird. Im Rahmen dieser Konsensfindung werden alle persönlichen Befindlichkeiten, sachlichen Argumente, Gerechtigkeits- und Fairnessgedanken berücksichtigt. Vertragsbeziehungen müssen dann nicht länger unter Aufwendung von enormer aggressiver Energie blockiert oder gar zerschlagen werden. Stattdessen kann die Energie in positiver Weise genutzt werden, in der Mediation eine für alle Vertragsparteien zufriedenstellende Lösung zu finden. Diese Erkenntnis sollte Anlass sein, sich von beiden Seiten auf eine Mediation einzulassen.

Dr. Ursula Grooterhorst, Rechtsanwältin, Mediatorin und Coach

zurück zur Übersicht Presse/Links/Artikel

zurück zum Seitenanfang