Mediation als CSR- bzw. Nachhaltigkeitsmaßnahme innerhalb eines Unternehmens

 

Ein Beitrag von:
Dr. Ursula Grooterhorst, Rechtsanwältin, Mediatorin und Coach,
Düsseldorf
INITIATIVE CORPORATE GOVERNANCE®
Der deutschen Immobilienwirtschaft, Ausgabe 01/2017, Seite 10-14

Nach wie vor steht das Thema "Nachhaltigkeit" im Fokus der Initiative Corporate Governance der deutschen Immobilienwirtschaft. Lange Zeit wurden mit dem Begriff nur das ökonomische Wachstum von Unternehmen und die ökologische Vereinbarkeit von Projekten verbunden. Seitdem neben der Ökonomie und der Ökologie die soziale Verantwortung als Teil des Nachhaltigkeitsbegriffs anerkannt ist, ergeben sich für Unternehmen daraus neue Herausforderungen. Dies gilt insbesondere auch für den Umgang des Unternehmens mit Konflikten.

I. Soziale Verantwortung von Unternehmen im Umgang mit Konflikten

Soziale Verantwortung (CSR) verlangt von Unternehmen, soziales Engagement für die Gesellschaft nach außen wahrzunehmen, indem z. B. gemeinnützige Einrichtungen/Projekte unterstützt werden. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Unternehmen sich als Teil eines großen Ganzen versteht und innerhalb dieses Systems zur Weiterentwicklung des Ganzen beitragen will.

Gleichermaßen muss soziale Verantwortung sich auf das Unternehmen selbst erstrecken. Das bedeutet, dass es den Unternehmen obliegt, Maßnahmen zu ergreifen, um ihrer sozialen Verantwortung nach innen gerecht zu werden. Hierzu gehört es u. a., den Umgang mit Konflikten zu ordnen und die Mediation als Teil eines Konfliktmanagementsystems zu installieren.

Für die Konfliktfälle, die vom Unternehmen teilweise innerhalb des Unternehmens und teilweise mit Außenstehenden zu bewältigen sind (z. B. mit Kunden/Geschäftspartnern), eignet sich die Mediation als außergerichtliches Konfliktlösungsverfahren. Im Hinblick auf die innerhalb des Unternehmens zu lösenden Konflikte ist die Mediation als eine CSR-Maßnahme zu betrachten, da sie dem sozialen Miteinander im Unternehmen dient. Konflikte können dann sogar eine positive Bewertung erfahren, wenn sie als Transformationsquelle betrachtet werden. Spannungen werden beseitigt und ein verändertes Miteinander wird möglich. Konfliktsituationen können darüber hinaus präventiv minimiert werden. Im Hinblick auf Konflikte des Unternehmens mit Außenstehenden ist die Mediation als ein Instrument der Nachhaltigkeit anzusehen, da der Konflikt dadurch nicht zu einem Abbruch der Geschäftsbeziehung führen muss.

II. Mediation - das nicht beachtete Konfliktlösungsverfahren

rechtliche Vertrauenstatbestände Nach dem Wortlaut des Mediationsgesetzes wird die Mediation als ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren bezeichnet, bei dem Parteien mithilfe eines Mediators freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konfliktes anstreben (§ 1 Absatz 1 MedG).

Obwohl die Mediation historisch gesehen ein uraltes Konfliktlösungsverfahren ist, das immer wieder erfolgreich angewendet worden ist, und obwohl sie nunmehr durch das Mediationsgesetz aus dem Jahre 2012 gefördert wird, nehmen gemessen an der Anzahl der Gerichtsverfahren nur Wenige das Verfahren im Konfliktfall in Anspruch. Unklar sind die Gründe hierfür. Liegt es lediglich an dem geringen Bekanntheitsgrad des Mediationsverfahrens? Oder verhindert die Frustration darüber, dass ein lange schwelender Konflikt durch den Versuch vieler Einigungsgespräche nicht behoben werden konnte, die Anstrengung eines weiteren Einigungsverfahrens? Die Hoffnung, dass ein Mediationsgespräch gerade das bringen soll, was man doch selber schon lange vergebens versucht hat, ist möglicherweise geschwunden?

Bei dieser Sichtweise wird außer Acht gelassen, dass eine Mediation anderes bewirken kann, als es Einigungsgespräche zwischen Konfliktparteien ohne Mediator vermögen. Damit dieses Konfliktlösungsinstrument mehr Aufmerksamkeit und eine stärkere Akzeptanz erhält, soll das Augenmerk zunächst einmal auf die Vorteile einer Mediation gerichtet werden.

III. Vorteile der Mediation

Eine Mediation wird von denjenigen, die erfolgreich daran teilgenommen haben, durchweg mit positiven Wirkungen belegt. Sie ist wirtschaftlich, weil sie kostengünstiger ist als ein Gerichtsverfahren; sie ist zeitsparend, da sie i.d.R. nur wenige Sitzungen in Anspruch nimmt; sie ist zukunftsorientiert, da die Konfliktparteien ihre Beziehungen aufrechterhalten können und keinen Gesichtsverlust durch ein Gerichtsurteil hinnehmen müssen; sie ist nachhaltig, weil die Konfliktparteien die Lösung selber erarbeiten und diese nicht von einem Dritten aufoktroyiert wird. Sie ist umfassender als ein Gerichtsurteil, da z. B. Dinge in die Lösung miteinbezogen werden, die für die Durchsetzung eines Rechtsanspruchs nicht erheblich sind. Außerdem können unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten Dinge in der Lösung berücksichtigt werden, die im Klageweg nicht geltend gemacht werden können. Die Verletzung von Fairness und Emotionen, die keiner gerichtlichen Durchsetzung unterliegen, kann ausgeglichen werden. Es können Dinge zur Sprache kommen, wie z. B. finanzielle Gesichtspunkte, die in einem öffentlichen Verfahren nicht zum Ausdruck gebracht werden können. Auf die Erfolgsaussichten einer Klage, auf die Beweisbarkeit des Anspruchs und dessen Durchsetzbarkeit braucht es nicht mehr anzukommen, wenn die Parteien, aus welchen Gründen auch immer, eine nachhaltige Lösung wollen.

IV. Rolle und Nutzen des Mediators

Nach § 1 Absatz 2 MedG ist der Mediator eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt. Das bedeutet, dass der Mediator der Herr des Verfahrensablaufs ist; für den Inhalt des Verfahrens sind die Konfliktparteien verantwortlich. Konflikte haben es an sich, dass sie verworren und von keiner Struktur geprägt sind. Die Gegner springen hin und her in ihrer Argumentation. Selbst wenn sie selbst versuchen, den Konflikt zu beseitigen, gelingt es ihnen meist nicht, sachlich die in Rede stehenden Konfliktthemen abzuarbeiten. Um eine Lösung des Konflikts zu finden, ist daher zu allererst ein strukturiertes Vorgehen notwendig. Dies herbeizuführen ist Aufgabe des Mediators. Er fördert die Kommunikation der Parteien und sorgt für Fairness miteinander.

Der Mediator ist eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis. Anders als in einer gerichtlichen Auseinandersetzung und anders als bei der Schlichtung und Adjudikation treffen die Parteien selber die Entscheidung zur Lösung des Konflikts. Sie bleiben eigenverantwortlich. Das führt letztlich auch dazu, dass Abschlussvereinbarungen in einer Mediation nachhaltig sind. Bei einer erfolgreichen Mediation haben die Parteien miteinander intensiv die sog. "bessere" Lösung gesucht und haben nicht wie auf dem Bazar miteinander gefeilscht. Sie haben selber eine Lösung gefunden, die den Interessen beider gerecht wird und die auf gegenseitigem Verstehen beruht, so dass der Weg in die Zukunft sich für beide wieder öffnet.

Der Mediator hilft den Parteien, die sie verbindende gemeinsame Frage/das Klärungsziel zu formulieren. Er unterstützt die Parteien dabei zu entdecken, dass etwas besteht, an dem man gemeinsam arbeiten will. Wie bisher soll es zwischen den Parteien nicht weitergehen, ein fauler Kompromiss ist zu wenig, und wie es sonst noch sein könnte, ist von den Parteien zu eruieren.

Der Mediator visualisiert oder gibt mit Worten wieder, was er von den Parteien gehört hat. In seiner Darstellung erkennen die Parteien ihre Situation, sie wird ihnen verständlicher, sie finden sich darin wieder. Auf diese Weise trägt die Wiedergabe des Geschehens durch den Mediator zur Klärung des Geschehens bei. Es wird auf den Punkt gebracht.

In einem Konflikt hat jede der Parteien ihre Sichtweise und ihre bevorzugte Lösung. Da der Mediator die Lösung nicht bestimmt, steht also am Anfang einer Mediation eine unlösbare Situation. Diesem Dilemma steht die Person des Mediators mit dem Versprechen und der Vision gegenüber, dass es andere Lösungen gibt als die bisher gesehenen. Er öffnet eine Bühne für eine erweiterte Denkweise und setzt dadurch bei den Parteien Kreativität in Gang. Das Ziel ist es, die Realität facettenreicher zu sehen als bisher.

V. Verfahrensgrundsätze in der Mediation

Auf die Verfahrensgrundsätze sowie den Ablauf des Mediationsverfahrens weist der Mediator zu Beginn einer Mediation hin. Zu den Prinzipien der Mediation gehört die Freiwilligkeit, die für eine offene Verhandlungsatmosphäre sorgt, die Selbstverantwortlichkeit, die die Parteien zur eigenen Lösungsfindung befähigt, sowie die Vertraulichkeit, die vor der einseitigen Nutzung offenbarter Informationen schützt.

VI. Ablauf einer Mediation

Am Ende einer Mediation soll eine Lösung stehen, die für beide Konfliktparteien günstig ist und in einer Abschlussvereinbarung festgehalten wird. In der Regel haben die Parteien schon selbst in der Vergangenheit die verschiedensten Lösungen des Konflikts ausprobiert, aber nichts war erfolgreich. Die Parteien werden somit in der Mediation viele Ideen entwickeln müssen, um zu der einen gewünschten und beide überzeugenden Lösung zu gelangen.

Um Ideen für Lösungsvorschläge zu bekommen, müssen die Parteien sich gegenseitig ihre Interessen, die sie verfolgen, mitteilen. Erst wenn sie die Beweggründe ihres Gegenübers erfahren, können sie Verständnis für dieses und sein Handeln entwickeln.

Die Interessen der beiden Konfliktparteien ergeben sich aus den sie bewegenden Themen. Dazu schildert jede Konfliktpartei die Situation aus ihrer Perspektive.

Bevor alle zu erörternden Themen aufgelistet werden können, einigen sich die Parteien in einem Auftragssatz auf ihr Ziel, das mithilfe der Mediation geklärt werden soll.

Wenn alle diese Stufen der Mediation durchlaufen sind, wird anschließend eine Evaluation im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Vereinbarung durchgeführt.

gelungene Mediation

VII. Das innere Geschehen in einer Mediation

Der Blick auf eine konstruktive Mediation zeigt, dass im Innern der Parteien eine Transformation stattgefunden hat. Ein solcher Wandlungs- und gleichzeitiger Wertschöpfungs­prozess gründet im gegenseitigen Verstehen der Konfliktparteien. Dieses ist Grundvoraussetzung dafür, eine Lösung des Konflikts zu finden. Dazu müssen die Parteien verstehen wollen, was dem anderen wichtig ist und was er wirklich mit seiner Forderung verfolgt. Das bedeutet, dass die Konfliktparteien im Mediationsverfahren nicht festgelegt sein dürfen, sondern dass sie für einen Zielkorridor offen sein müssen. Nur eine Haltung, die die Vergangenheit loslässt und zukünftige Veränderung zulässt, öffnet den Weg zu einer Lösung.

In einer gelungenen Mediation nehmen die Parteien davon Abstand, nur auf sich zu sehen, sondern sie erfahren das Denken der Gegenseite und setzen sich damit auseinander. Jeder entwickelt für die Konfliktwurzeln Sensibilität, indem er dem anderen zuhört.

Die Parteien räumen bisherige Missverständnisse aus. Dinge, die sich die Parteien im gemeinsamen Gespräch indirekt mitteilen, werden mit Hilfe des Mediators aufgedeckt. Dazu richtet der Mediator seine Wahrnehmung auf die indirekten Mitteilungen der Parteien und bringt sie zur Sprache. Er leistet quasi "Übersetzungsarbeit" zwischen den Parteien. Oftmals trifft der sich nur indirekt Mitteilende Aussagen über sich selber. Wenn er beispielsweise den anderen anschuldigt, drückt dies häufig eine tiefe Verärgerung über den anderen aus. Gleichzeitig ist darin i.d.R. sein eigentlicher Wunsch an den Anderen enthalten. Wahrscheinlich ist es, dass der Andere auf eine Anschuldigung seines Gegenübers mit Zurückweisung reagiert. Ob die Anschuldigung selbst gerechtfertigt ist, ist oft nicht nachprüfbar. Der Versuch, die Anschuldigung aufzuklären, ist meist nicht zielführend, sondern streitverschärfend. Wird jedoch der hinter der Anschuldigung stehende Wunsch des Anderen sichtbar gemacht, so kann darüber diskutiert werden. Möglicherweise ruft der nunmehr erkannte Wunsch auch ein Verstehen im Anderen hervor und zeigt bestenfalls sogar ein gemeinsames Interesse auf. Erst wenn das aufrichtige Interesse des jeweils Anderen verstanden worden ist, ist der Weg für eine weiterführende Kommunikation frei.

Dieses innere Geschehen kann nur in Gang kommen, wenn die Parteien dem Anderen Aufmerksamkeit entgegenbringen, wenn sie nach Übereinstimmungen suchen, sich zuhören, fragen und die Vergangenheit verabschieden, wenn die Teilnahme an der Mediation von gegenseitiger Wertschätzung getragen ist, wenn das einzelne Denken transparent wird und von kontinuierlichem Vertrauen begleitet wird. Unter diesen Voraussetzungen wird es den Parteien möglich, den Konflikt auf einer höheren gemeinsamen Ebene zu lösen.

VIII. Weitergehender Nutzen der Mediation für ein Unternehmen unter dem Aspekt der Entscheidungsfindung und Kommunikations­förderung

Über den Effekt der Konfliktlösung kommt der Mediation noch weiterer Nutzen zu. Er besteht darin, dass durch eine Mediation Entscheidungsreife in wichtigen Situationen herbeigeführt werden kann. Insofern dient Mediation dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens und trägt damit zur Nachhaltigkeit eines Unternehmens bei.

Gerade wenn komplexe Situationen vorliegen, ganz gleich ob dabei Konflikte auftreten, fallen Entscheidungen schwer. Aufgrund der Komplexität ist es häufig nicht offensichtlich, welche die richtige Entscheidung ist. Infolgedessen wird ein langwieriger Abwägungsvorgang notwendig. Vor- und Nachteile einer Entscheidung müssen gegenübergestellt werden. Wenn sie zu kontradiktorischen Ansichten im Entscheidungsgremium führen, so kann mithilfe der Mediation, die auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitet, eine verantwortbare und tragfähige Entscheidung erfolgen. Diese beruht dann nicht nur auf dem Regler des Kompromisses, sondern auf einer Erweiterung des Denkens. Kreativität wird möglich.

Ebenso eignet sich Mediation grundsätzlich dazu, Kommunikation zu fördern und dadurch Stillstand und Blockaden für weitere Entscheidungen zu vermeiden. Bevor sich ein Konflikt in seiner Schärfe entfaltet, ist daher eine rechtzeitige sog. präventive Mediation in Unternehmen sinnvoll, um den Kommunikationsfluss zwischen den Mitarbeitern nicht abbrechen zu lassen. Sowohl Führungskräfte wie auch Mitarbeiter können üben, eine mediative Haltung zu erlangen. Dazu gehört es, einen Perspektivenwechsel zu wagen und sich in den anderen hineinzuversetzen.

Fazit: Der Nutzen von Mediation als Teil eines Konfliktmanagementsystems in Unternehmen ist unter dem Gesichtspunkt der Sozialen Verantwortung und der Nachhaltigkeit vielfältig. Die Mediation trägt nicht nur gewinnbringend zur Lösung von Konflikten bei, sondern auch präventiv zur Vermeidung von Konflikten. Darüber hinaus kann sie zur Entscheidungsfindung im Team sowie zur Förderung der Kommunikation in Unternehmen eingesetzt werden.

Dr. Ursula Grooterhorst, Rechtsanwältin und Mediatorin

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