Wertemanagement in Unternehmen – um welche Werte geht es?

– Normgebundene und normungebundene Werte –

Veröffentlichung der:
Corporate Governance der deutschen Immobilienwirtschaft
Corporate Governance- und Compliance-Newsletter 3 / Seite 4-6

Wertemanagement in Unternehmen – um welche Werte geht es? Corporate Governance der deutschen Immobilienwirtschaft Autorin, Dr. jur. Ursula Grooterhors

Untersucht man Wertemanagement-Systeme in Unternehmen, so stellt man fest, dass - soweit sie überhaupt vorhanden sind - sie sich oftmals nur auf die Einhaltung von normgebundenen Werten beziehen. Es stellt sich daher die Frage, ob normungebundene Werte, die in einem Leitsatz eines Unternehmens festgeschrieben werden, überhaupt durch konkrete Maßnahmen im Unternehmen implementiert werden können. Das Managementsystem eines Unternehmens setzt sich aus verschiedenen Managementstrukturen zusammen wie z. B. dem Corporate-Governance-System, dem Qualitätsmanagement-System, dem Konfliktmanagement-System, dem Compliancemanagement-System und nicht zuletzt dem Wertemanagement-System, die sich teilweise überschneiden oder ergänzen. Das wird deutlich bei einer Betrachtung des Compliancemanagement-Systems eines Unternehmens.

Compliance als Teil des Wertemanagements
Compliance erfordert die Einhaltung von externen Regeln und Normen (Gesetzen) durch das Management und die Mitarbeiter eines Unternehmens. Es geht also um die Rechtstreue und die Integrität des Unternehmens und seiner Mitarbeiter. Diese beiden Aspekte stellen Werte dar, die an Normen gebunden sind und denen sich ein Unternehmen mit der Errichtung eines Compliancemanagement-Systems verschreibt.
In den einzuhaltenden Rechtsvorschriften spiegeln sich die in einem Unternehmen normierten Werte wieder. Verstöße hiergegen können unmittelbar kontrolliert und geahndet werden. Werte wie Rechtstreue, Transparenz, Vertraulichkeit und Professionalität, die oftmals in Leitsätzen von Unternehmen als Mindestkanon zugrunde gelegt werden, lassen sich ohne weiteres in Normen gießen, deren Einhaltung überprüft, eingefordert und sanktioniert werden kann. Die Einhaltung dieser normgebundenen Werte ist Aufgabe eines Compliance-Managements. Gleichzeitig ist sie Teil eines Wertemanagements, das Werte umfassend regelt. Insofern überschneiden sich die Bereiche Compliance und Wertemanagement zwangsläufig, da sie in Teilen eine deckungsgleiche Zielsetzung verfolgen.

Integration von unternehmerischen Grundwerten jenseits von Compliance
Compliance allein reicht jedoch nicht aus, um Werte und Moral in den Unternehmensalltag zu integrieren. Unternehmen, die lediglich am Recht orientiert geführt werden, leiden an Überzeugungskraft, da sie einen Teil von Werten außer Acht lassen. Unternehmerische Grundwerte jenseits von Compliance, die einem Wertemanagement-System zugrunde gelegt werden, bestimmen die Identität der Organisation und den Geist des daran orientierten Handelns. Hieraus erwächst eine bestimmte Unternehmenskultur. Daraus folgt, dass ein Wertemanagement-System deutlich über ein Compliance-Management-System hinausgehen muss. Rechtlich einwandfreies Verhalten muss zugleich ethischen Grundsätzen entsprechen.

Ethische - normungebundene - Werte als Maßstab für unternehmerisches Handeln.
„Ethik“ wird somit zum Maßstab in Situationen, in denen Rechtsvorschriften keine Grenzen setzen. Ein Wertemanagement-System ist nur dann vollständig und effektiv, wenn Leitbilder und Verhaltensstandards Unternehmenswerte beinhalten, die ein ethisches Verhalten aller am Unternehmen Beteiligten (Stakeholder) verlangen. Ethische Werte, die zwar in Leitsätzen und Unternehmens-Programmen erklärt werden können, die sich aber nicht dazu eignen, in einer Rechtsnorm festgehalten zu werden, kann man als „normungebundene“ Werte bezeichnen. Hierzu gehören z. B. Ehrlichkeit, Verantwortlichkeit, Loyalität, Teamgeist, Offenheit, Konfliktfähigkeit, gegenseitige Wertschätzung, Verlässlichkeit etc. Die Liste von Werten ließe sich noch lange fortführen. Das Standard- und Guidance Dokument zum Wertemanagement, das vom Zentrum für Wirtschaftsethik entworfen worden ist, teilt Werte, die in einem Wertemanagement-System berücksichtigt werden können, sogar in unterschiedliche Kategorien ein. Danach gibt es moralische Werte, Kooperationswerte, Leistungswerte und Kommunikationswerte. Ein Verstoß hiergegen unterliegt einem weiten Beurteilungsspielraum und ist somit nur schwer feststellbar. Darüber hinaus ist er auch kaum kontrollierbar. Hinzukommt, dass ethische Werte – außer in den Fällen, in denen sie gesetzlich geschützt sind - i.d.R. nicht mit Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden können.

Realisierbarkeit von ethischem Handeln?
Da ethisches Handeln nicht zwangsweise eingefordert werden kann, stellt sich die Frage, ob normungebundene Werte, die auf ein ethisches Verhalten zielen und von Unternehmen in Leitbildern festgeschrieben werden, letztlich überhaupt mittels unternehmerischer Zielsetzung umgesetzt werden können? Ist ethisches Verhalten etwas, das auf dem Papier als starker Grundpfeiler eines Unternehmens deklariert werden kann, das aber wegen mangelnder Einforderbarkeit nicht wirklich realisierbar ist?

Allgemeine Erkenntnis der Notwendigkeit von ethischen Grundsätzen in der Wirtschaft.
Fest steht, dass ein Unternehmen, in dem Werte gelebt werden, Reputation genießt, und zwar nach außen bei seinen Geschäftspartnern wie auch nach innen bei seinen Mitarbeitern. Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2007/2009 ist die Forderung nach ethischem Verhalten auch in der Wirtschaft sprunghaft größer geworden. Die Analyse der wirtschaftlichen Realität zwang zu der Einsicht, die normativ-ethische Dimension in die Ökonomie zu integrieren. Unternehmen stellen keinen wertfreien Raum dar. Unter dem Stichwort „Nachhaltigkeit“ wird nunmehr auch die Verantwortung von Unternehmen (CSR) dahingehend eingeordnet, Maßnahmen zu ergreifen, die ethisches Handeln fördern. Aus den neuesten Nachhaltigkeitsberichten großer Unternehmen (z. B. ERGO) ergibt sich, dass zwischenzeitlich hohe ethische Standards geschaffen worden sind, die sich in Verhaltenskodizes für Mitarbeiter, leitende Angestellte und Mitglieder der Geschäftsführung widerspiegeln.

Gründe für die Berücksichtigung von ethischen Grundsätzen im Wertemanagement.
Warum ist es also wichtig, auch normungebundene Werte ins Wertemanagement mit einzubeziehen und sich nicht nur auf einen Mindestkanon von Werten zu beschränken?

Unternehmenskultur, mit der sich Mitarbeiter identifizieren können, und Kooperationspartner erhalten hierdurch Erwartungssicherheit im Hinblick auf das Verhalten der Mitarbeiter, wenn diese die handlungs- und entscheidungsleitenden Werte des Unternehmens leben. Deshalb ist es notwendig, dass ein Unternehmen sich normgebundenen wie auch normungebundenen Werten verschreibt, um dadurch einen höheren Anspruch i. S. einer Werteorientierung zu erfüllen und in Bezug auf ethisches Verhalten eine differenziertere Wirkung zu erzielen. Eine Ausrichtung an ethischen Werten verleiht dem Handeln des Einzelnen Sinn und steigert dessen Verlässlichkeit. Diese Verlässlichkeit wiederum führt zur Bildung von Vertrauen, das ein konfliktfreies Zusammenleben von Menschen fördert. Eine vertrauensvolle Atmosphäre erleichtert die menschlichen Beziehungen im Unternehmen wie auch diejenigen Beziehungen, die das Unternehmen mit Dritten unterhält, und trägt damit zum Unternehmenserfolg bei.

Wertemanagement als Führungsaufgabe.
Wie kann darauf hingewirkt werden, dass diese Werte verfolgt werden? Unabdingbare Voraussetzung für die Implementierung von Werten in Unternehmen ist, dass deren Bedeutung als Chefsache angesehen wird. Die Entscheidungsträger in Unternehmen wie Gesellschafter, Vorstand/Geschäftsführung, Führungskräfte sowie die Mitglieder des Aufsichtsrats/ Beirats müssen an vorderster Stelle ihre Verantwortung gegenüber den internen und externen Stakeholdern wahrnehmen und für Maßnahmen im Unternehmen sorgen, die ein Wertemanagement garantieren. Das bedeutet, dass Wertemanagement zu allererst eine grundlegende Führungsaufgabe ist.

Konkrete Maßnahmen zur Entwicklung eines Wertebewusstseins Welche Maßnahmen kann das Unternehmen zur Entwicklung eines Wertebewusstseins ergreifen? Unternehmen sind nur dann erfolgreich, wenn die Unternehmensleitung und die Führungskräfte sich engagieren und Vorbildfunktion übernehmen. Diese müssen vom Unternehmen durch konkrete Maßnahmen unterstützt werden, um den hohen Anforderungen gerecht werden zu können. Hierzu gehört neben Schulungen das regelmäßige Einzelcoaching von Führungskräften, das eine Reflexion des Entscheidungsverhaltens ermöglicht. Durch eine solche Maßnahme wird der Tatsache Rechnung getragen, dass ein werteorientiertes Handeln nicht verschrieben werden kann, sondern dass der Einzelne Werte begreifen, internalisieren und leben muss. Er muss sich die eigenen Werte bewusst machen, sie kritisch reflektieren und sich zu ihnen ins Verhältnis setzen. Das kann nur in einem permanenten Entwicklungsprozess geschehen, an den sich eine sukzessive Veränderung der eigenen Handlungsweisen anschließen kann.
Aufgrund sich schnell ändernder Bedingungen sind Führungskräfte gefordert, sich auf Veränderungen einzustellen und nicht auf gewohnte Weise auf Herausforderungen zu reagieren. Gespräche, die Reflexionen begleiten, tragen dazu bei, dass Führungskräfte und Mitarbeiter eine Kompetenz entwickeln, wertesensible Problemstellungen selbst zu erkennen und zu bearbeiten. Erst dann werden Werte nachhaltig wirksam, wenn sie vom Bewusstsein des Einzelnen getragen werden und er sie autonom befürwortet. Ein Coaching ermöglicht persönliches Vorbildverhalten und befähigt Führungspersonen zu einer autonomen Entscheidungskompetenz in ethischen Konfliktsituationen.

Neben regelmäßigen Einzelgesprächen kann eine allgemeine Wertebildung durch Vorträge erfolgen, die durch Reflexion zu einer ethischen Sensibilisierung anregen. Nachhaltiger sind Seminare, die eine Befassung mit Werten ermöglichen und einen Selbsterfahrungsanteil enthalten. Stille und Abgeschiedenheit sind förderlich, um Distanz zum Alltag zu gewinnen und um sich die Grundlagen für seine täglichen Entscheidungen bewusst zu machen. Im Übrigen müssen Werte auf allen Hierarchieebenen eines Unternehmens gelebt werden. Somit ist es notwendig, alle Mitarbeiter in einen firmenweiten Dialogprozess einzubeziehen. Hierzu dienen Mitarbeitergespräche und regelmäßige Befragungen, die die moralischen und ethischen Einstellungen und Überzeugungen aller - sowohl von Mitarbeitern als auch von Führungskräften - identifizieren.

Da Wertebildung im Wege eines dynamischen Prozesses erfolgt, bedeutet das für Unternehmen, auf Dauer mit einer gewissen Regelmäßigkeit Maßnahmen durchzuführen, die eine Wertebildung fördern.

Beispiel für ein werteförderndes Coaching:
Ob und inwiefern wir uns durch Werte leiten lassen, ob wir ein stabiles Wertegerüst haben, das im richtigen Zeitpunkt trägt, ob es möglicherweise Verbesserungsbedarf gibt, manifestiert sich im Denken und Handeln des Einzelnen. An diesem Denken und Handeln wird deutlich, ob Werte lebendig sind. Um Wertebildung in Unternehmen zu fördern, dürfen Werte daher nicht nur abstrakt erörtert werden. Der Einzelne und auch das Unternehmen müssen sich vielmehr darüber klar werden, ob er/es Werte in das Leben bzw. in den Unternehmensalltag einbindet. Die Verbindung zwischen den abstrakten Werten und dem konkreten Leben und dem Unternehmensziel muss reflektiert werden.

Dazu dienen z. B. folgende wertefördernde Fragestellungen:

  • Wie treffe ich meine Entscheidungen?
  • Welcher Entscheidungstyp bin ich?
  • Woran erkenne ich, dass eine Entscheidung richtig ist?
  • Was ist Grundlage für meine Entscheidungen?
  • An welchem Fundament will ich meine Entscheidungen ausrichten?
  • Welche konkreten Werte bedeuten mir etwas?
  • Welche Sicht der Welt habe ich?
  • Sind Veränderungen für eine Weiterentwicklung erforderlich?
  • Was hält mich von Veränderungen ab?
  • Gerate ich immer wieder in dieselben Situationen?
  • Warum verändere ich nichts?
  • Bin ich verantwortlich für eine Veränderung?
  • Wem gegenüber bin ich verantwortlich?
  • Wer bin ich?
  • Welche Aufgabe habe ich?
  • Wie gestalte ich Beziehungen?
  • Wie gehe ich mit inneren und äußeren Konflikten um?

Durch diese beispielhaft aufgeführten Fragestellungen werden die Ausrichtung eines Unternehmens wie auch die der einzelnen Mitarbeiter im Hinblick auf wertegetragenes Denken und Handeln auf den Prüfstand gestellt. Sie sind hilfreich dafür, dass Unternehmen wertebewusst geführt werden.

Fazit: Ein Wertemanagement-System ist nur dann erfolgreich, wenn es normgebundene wie auch normungebundene Werte mit einbezieht. Maßnahmen, die eine umfassende Wertebildung ermöglichen, kennzeichnen die moralische Qualität eines Unternehmens und tragen zu einem wertegetragenen Handeln der einzelnen im Unternehmen tätigen Personen bei.

Die Autorin

Dr. jur. Ursula Grooterhorst,
Business-Coaching

Link zur Website:
Initiative Corporate Governance der deutschen Immobilienwirtschaft e.V.

zurück zur Übersicht Presse/Links/Artikel

zurück zum Seitenanfang